Der Unberührbare und die Suggestivkraft der letzten Aufrechten Pascal, 28. Januar 20241. April 2024 Ein Sturm ist mittlerweilen weit mehr als ein meteorologisches Geschehnis. Physikalisch bedingte Stürme als Wetterphänomen sind zahlenmässig sogar die Ausnahme, vielmehr fegen die zahlenmässig relevanten zeitgenössischen Stürme von der politisch-medialen Agora her kommend in schöner Regelmässigkeit nicht über den Himmel, sondern durch unsere Köpfe. Die Ursachen lassen sich in einfachen Stichworten festmachen, ein ganz aktuelles, mit viel Popanz, Hypermoral und Geschichtsklitterung aufgeladenes ist die Wannseekonferenz 2.0. Es soll hier nicht ein weiteres Mal um die Deutung des mutmasslich halbgaren aber faktisch bisher nicht belegten Inhalts dieser Konferenz gehen. Interessant finde ich einige andere Punkte, die in der breitgetretenen tendenziösen Empörung schlicht nicht vorkommen. So habe ich vorhin auf Putins Sprachrohr RT.de gelesen, dass die deutschen Behörden eine Einreisesperre gegen einen der Teilnehmer dieser Konferenz erlassen haben. Dieser Teilnehmer heisst Martin Sellner, österreichischer Staatbürger und dem Vernehmen nach Anhänger der identitären Bewegung, der Verbindungen ins neonazistische Milieu nachgesagt wird. Was nun an diesem Narrativ wahr und was pure Erfindung und Unterstellung ist, kann man kaum noch schlüssig aufdröseln. Dazu wurde das Ereignis selbst bereits zu stark künstlich aufgeblasen. Ebenso hat man alles daran gesetzt, die Teilnehmer in einer Weise zu diffamieren, dass diese in der öffentlichen Wahrnehmung nun derart verbrannt sind, dass, selbst gesetzt den Falles, ein Medienschaffender mit entsprechender Reichweite wagte es, einer der Teilnehmer in seine Sendung einzuladen, um objektiv in Erfahrung zu bringen, was an dieser Konferenz beraten worden ist, dieser mit Gewissheit öffentlich hingerichtet werden würde. Persönlich hege keine Sympathien mit den identitären Vorstellungen. Selbst wenn ich anerkenne, mit meinem fortschreitenden Alter einen zunehmenden Konservatismus entwickelt zu haben, widerstrebt intuitiv jede Form der Überhöhung der eigenen nationalen und kulturellen Herkunft. Allerdings, da mag ich in einigen Punkten durchaus in Übereinstimmung mit den Identitären sein, denke ich nicht, dass eine Gesellschaft beliebig kulturell überfrachtet werden kann, ohne dass dies irgendwann zu einem Kippunkt führt, an dem man notgedrungen selbstkritisch erkennen muss, dass viele verschiedene Kulturen unter dem gemeinsamen Dach eines Staatswesens nicht ohne die Bereitschaft zum Kompromiss und Interessenausgleichs auskommen. Dass ein fairer und gerechter Ausgleich desto schwieriger wird, je mehr verschiedene Kulturen sich im Alltag zusammenraufen müssen, sollte jedem auf den ersten Blick klar sein. Leider muss man immer mehr konstatieren, dass die naive Erwartung, heimische Kultur durch Migration in progressivem Sinn bereichern zu können, vorhersehbar, kein Selbstläufer ist, sondern realiter zu zunehmenden sozialen und gesellschaftlich relevanten Verwerfungen führt. Aber auch darum soll es hier nicht gehen, weswegen ich diese kurze und gewiss recht eindimensionale Analyse fürs erste so stehen lasse. Spannend für mich ist der nach allen Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie zelebrierte Aktionismus, den Medien und Politik gerade an den Tag legen. Man könnte glatt zur Auffassung gelangen, dass Herr Sellner die personifizierte Wiederkunft Adolf Hitlers sei, und dass schon morgen früh halb Europa unversehens im 4. Reich aufwachen könnte. Unabhängig von der Frage, inwieweit Herr Sellner gegebenenfalls Sympathien für das Gedankengut Adolf Hitlers hat, was er, ob wir das nun goutieren oder nicht, auch darf, sofern der Anspruch, die Gedanken seien frei, doch nicht bloss eine abgegriffene Plattitüde darstellt, ist das Erstaunliche die geistige Schlichheit, die sich hinter der Verhängung dieser Einreisesperre gegen Herrn Sellner unmittelbar zu erkennen gibt. Ein geschichtsbewusster Mensch erkennt unvermittelt, wessen Geistes Kind die Urheber dieser Entscheidung sind. Dieser Geist insinuiert gewissermassen, wider alle geschichtlichen Fakten, dass die historische Relevanz des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 einzig und alleine an der Person Adolf Hilters festzumachen sei. Die Relevanz Hitlers als pars pro toto lässt sich zweifelsohne auf solider Faktenbasis nicht kleinreden, sollte selbstredend auch nicht legitime Absicht sein. Allerdings ist es fatal, die Geschichte des Nationalsozialismus auf Adolf Hitler zu verkürzen. Es reichte auch nicht, sie um Josef Goebbels oder Hermann Göring zu erweitern. Dies genau in einer solchen Weise zu tun, kann erkennbar nur dem Zweck dienen, die tieferliegenden Ursachen von Aufstieg und Fall des Naziregimes gar nicht erst beleuchten zu wollen. Möchte man wirklich Parallelen zwischen 2024 und 1933 herausarbeiten, dann wäre der gebotene Ausgangspunkt einer derartigen Analyse ohne Zweifel jener, sich mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten in den Jahren des sukzessiven Aufstiegs der Nationalsozialisten vor 1933 zu beschäftigen. Diese Arbeit wurde längst gemacht, sie steht nicht nur in der historischen, sondern auch in der soziologischen und psychologischen Fachliteratur umfassend beschrieben. Sollte die aktuell prominente Losung ‚Nie wieder!‘ ernst gemeint sein, dann gebietet es sich, die Mühe eines umfassenden Verständnisses der sozialen und gesellschaftlichen Ursachen, die als der eigentliche Nährboden für faschistoide Entwicklungen dient, nicht aus Bequemlichkeit zu scheuen und sich stattdessen, weil opportun und seitens der Herrschenden, als willkommene Vernebelungstaktik mit dem bekannten moralingetränkten Impetus als staatsbürgerliche Pflicht getarnt und eingefordert, auf unterkomplexe, stereotype Denkmuster und billige Symbolik zurückzuziehen. Die erkennbare, bewusste Weigerung des poltisch und juristisch verantwortlichen Personals, in grösseren Zusammenhängen zu denken und stattdessen die ins Absurde hochgejazzte Bedrohung der Demokratie auf die Person Martin Sellner einzudampfen, kann und muss man nicht nur als Beleidung an den Verstand des aufmerksamen Beobachters bezeichnen, sondern als in einem Ausmass geschichtsvergessen, dass man sich fragen muss, ob überhaupt und, wenn doch, wie diese ständig larmoyant zur Schau gestellte deutsche Erinnerungskultur als Lehre aus den Verbrechen des Nationalsozialismus im Jahre 2024 wirklich mit Leben gefüllt wird. Ich erspare mir hier weitere Ausführungen, warum es genau so und nicht anders ist. Dem aufmerksamen Beobachter sind die Gründe bestens bekannt. Sie sind systemimmanent und inzwischen in einem pathologisch hypertrophen Stadium angelangt. In Kurzform könnte man resümieren, dass in dieser angeblich besten und freiesten Welt aller Zeiten eine erheblicher Anteil der Menschen nicht imstande zu sein scheint, zwischen Ursache und Wirkung sowie zwischen Kausalität und Korrelation unterscheiden zu können. Ebenso offenbart sich ein eklatanter Mangel an Reflektionsfähigkeit, Selbstkritik und Geschichtsbewusstsein. Anders lässt sich meiner Auffassung nach etwa diese neuentdeckte abstuse und von selbstgerechter Moral erfüllte Protestkultur nicht erklären. Ein Staat, der in einer solchen Weise handelt und ständig seinen eigenen Untergang nicht nur befürchtet, sondern nach allen propagandistischen Regeln, fast wahnhaft herbeiphantasiert und dies in der Folge als Legitimation zur Abschaffung seines intrinsischen konstituierenden Rechtskodex verwendet, wird dabei selbst zur treibenden destruktiven Kraft, welche in Wahrheit, wider alle anderslautenden orwellschen Neusprechblasen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr bringt und damit selbst einen totalitären Anspruch geltend macht, den er allerdings damit zu kaschieren versucht, ihn mittels infamer Narrativen anderen zu unterstellen – und, als wäre die Posse nicht schon vollendet, betätigt er sich damit, unwissend oder bewusst billigend als aktivster Förderer derjenigen, die er einzudämmen vorgibt. Der tägliche Wahnsinn Fachidiotie Gedanken Neusprech Politik GeschichtePolitik
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