Sympathische Widerlinge Pascal, 16. September 202317. September 2023 Aufgrund eines Artikels auf einer der bei mir hier verlinkten Blogs, kamen mir diese Worte in den Sinn In besagtem Artikel ging es darum, dass Sympathie Fachkompetenz in der Arbeitswelt oft ersetzt, was ich selbst aus meinem gewiss etwas kurzen Erwerbsleben dennoch bestätigen kann. Auch in anderen Aspekten des täglichen Lebens findet man immer wieder diesen Typus Mensch vor. Leider habe ich selbst derzeit mit einem solchen sympathischen Widerling viel mehr zu schaffen als mir lieb ist, dazu vermutlich gleich mehr. Die Kunst, seine Mitmenschen zum Narren zu halten, ist nicht nur eine Begabung, also so gesehen durchaus auch eine Art Kompetenz; sondern eine regelrechte Tugend. Zumindest ist sie das über die Jahre geworden. In der Regel findet man die schlimmsten, oder vielleicht die offensichtlichsten Auswüchse in der Berufswelt. Dort sind sie ein direktes Ergebnis von 40 Jahren Neoliberalismus. Strahlemänner und andere Selbstdarsteller verfügen meist auch über eine grosse Armspannweite, wenn sie erst einmal ihre Ellenbogen ausfahren. Da bekommt so mancher Vorbeigehende einen Hieb in den Thorax. Doch wie im Falle eines solchen physischen Impakts, beschränkt sich die Reaktion auch beim vom emotionalen Ellenbogen Getroffenen meist auf ein kurzes ‚Hey!‘, danach geht es weiter als wäre nichts geschehen. Man muss ein harter Hund sein, wenn man sich behaupten will. Auf der Arbeit und im dichten Gedränge eines Bahnhofs morgens zu Stosszeiten kann man sich seine Mitmenschen nicht aussuchen, wohl aber meist in der Sphäre seines eigenen Privatlebens. Was allerdings mit uns unter dem Eindruck von unserem Lebensweg durch die menschliche Welt als soziales Wesen geschieht, nehmen wir dennoch immer mit. So wie sich Blender und Selbstdarsteller ihrer Prägung nicht erwehren können, dies wohl auch gar nicht erst anstrebten, ist auch derjenige, der in schöner Regelmässigkeit auf diesen Schlag von Mensch hereinfällt, in sich selbst gefangen und befreit sich nur schwer oder gar nicht von seiner Anfälligkeit für falsche Fuffziger. Ursache und Wirkung So gesehen ist der Titel dieses Post falsch; denn die Wirkmacht der sympathischen Widerlinge liegt nicht intrinsisch in ihnen selbst, sondern im entsprechenden Feedback des Gegenübers, im reflexartigen Einrasten bestimmter emotionaler Impulse, in der Spiegelung und positiven Verstärkung. Gut, es ist menschlich, sich auch einmal in seinen Mitmenschen zu täuschen. Allerdings sollte hier immer die Weisheit der Angelsachsen Geltung behalten, die lautet ‚Fool me once, shame on you, fool me twice, shame on me‘. Was macht man nun mit einem Menschen, der auf irgendeine verzwickte Art, wider die abwegigsten Umstände trotzdem Teil des eigenen Lebens bleibt, der allerdings diesen naiv-dummen Charakterzug mitbringt, trotz wiederholter Täuschung durch einen anderen, nicht zur Erkenntnis zu gelangen, dass im Falle ständiger Wiederholung nicht der Täuscher sondern der Getäuschte die eigentliche Ursache fortgesetzter Probleme ist? Das ist nun in meinem konkreten Fall eine rhetorische Frage; denn ich bin längst zur Erkenntnis gelangt, dass derart verfasste Menschen diesbezüglich als therapieresistent zu bezeichnen sind. Die Frage, wie man sich als Dritter der dadurch ständig interierenden Probleme erwehrt, entbehrt hingegen jeder Rhetorik. Sie verkörpert schlimmstenfalls die nackte Not; denn die Antworten bleiben aus, siehe Therapieresistenz oben. Nun ist es nicht nur schlimm, einen solch erkenntnisunwilligen Menschen aufgrund von Sachzwängen in seiner Nähe tolerieren zu müssen. Wirklich grenzwertig bis völlig unerträglich werden die Dinge, wenn jener Widerling nun einem selbst auf die Pelle rückt und seine gar nicht mehr so sympathische Widerlichkeit offenbart. Dort offenbart sich erst die wahre Pathologie eines solchen Charakters. Sich unerwünschterweise mit seinem Wagen vor das Haus eines anderen zu stellen, sich mit dem Hüftstemmer vor dessen Grundstück aufzubauen, um angeblich reden zu wollen, darf man mit Sicherheit als übergriffig bezeichnen. Etwas prosaischer ausgedrückt, nennt man das auch provozieren. Ganz dumm läuft eine solche Situation dann, wenn man sich als Angegriffener zu Reaktionen hinreissen lässt; denn dies heisst meist, dem Aggressor in seiner narzisstischen Selbstüberhöhung das zu geben, was er sucht: ein unsachliche Erwiderung und damit die Bestätigung seiner absurden, selbstbezogenen Anwürfe, die sich jeglicher Berechtigung entziehen. Der Beschuldigte verliert ob der Abgebrühtheit des Anklägers die Fassung und verlässt schnell den rationalen Diskurskorridor. Nun gut, wenn erst einmal geschehen, ist es zu spät. Allerdings. Was bleibt mit jenem Menschen zu tun, der einem durch seine Unfähigkeit, sich einem sympathischen aber pathologischen Widerling zu entziehen, überhaupt erst in eine solch missliche Lage gebracht hat? Auch dies ist mitnichten eine rhetorische Frage. Mit solchen Menschen verhält es sich wie mit einem Kaugummi an der Schuhsohle. Hat man die Masse erst einmal richtig ins Profil eingetreten, hilft keine Bordsteinkante mehr, sie dort wieder auszukriegen. Am Ende helfen nur Schaubenzieher und Lösungsmittel weiter. Als vernunftbegabter Mensch müsste man folglich zur Erkenntnis gelangen, dass hier der Punkt erreicht wäre, an dem man jegliche Freundschaft und Zuwendung aufkündigt. blöd, wenn man sich erst einmal im Fadenknäul verheddert hat Doch was ist mit den Sachzwängen, durch welche man auch weiterhin mit jenem Menschen verstrickt ist, egal wie pathologisch auch sein Verhalten ist? Schlechte Nachricht: leider kein Entkommen. Karma is a dirty bitch! Mit solchen Angelegenheiten ist es wiederum wie mit einer Bärenfallen. Hat diese erst einmal zugeschnappt, kriegt man sie nur mit einer gewaltigen und schmerzhaften Kraftanstrengung wieder vom Bein weg. Es führt folglich kein Weg daran vorbei, zwei Baustellen gleichzeitig beackern zu müssen. Das grösste Dilemma hierbei ist, dass man nie weiss, wer nun gerade das grössere Problem darstellt: der sympathische Widerling oder sein willfähriges Opfer. Beide zusammengenommen sind eine Wundertüte, welche die bizarrsten aller bösen Überraschungen bereithält. Mit jedem Blick in sie, tun sich neue Abgründe auf. Was bleibt ist die Hoffnung, dass beide Handelnden irgendwann alleine aufgrund der inneren Widersprüche aneinander zerschellen, mit der Folge, dass einer der beiden beteiligten Akteure den Absprung nimmt. Dennoch bleibt in meinem Fall die bittere Erkenntnis, dass in meinem dreiteiligen Zirkelschluss, zumindest zwei Faktoren mit voller Verbissenheit ihre jeweilige Position halten wollen und sich dennoch qua innerer Logik nicht gegenseitig antagonisieren können, während der dritte abwechselnd entweder der Nabelschau fröhnt oder der Indifferenz als Handlungsmaxime folgt. Was bleibt dann? Vielleicht der Anforderung an sich selbst zu folgen, in einer Welt voller Widerlinge nicht selbst zum Widerling zu mutieren. Das dumme dabei ist, dass dieser kategorische Imperativ einem Wert darstellt, den man an sich selbst spiegeln muss; denn die meisten Menschen sind zu sehr von der affektiert-charmant, jovialen Mimikry ihrer Artgenossen betört, als dass sie noch fähig wären, angenehmere Wesenzüge in ihrem Gegenüber zu erkennen. Der tägliche Wahnsinn Gedanken Psychosachen
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