Geschichtsvergessen Pascal, 23. Juli 202323. Juli 2023 Es ist Krieg in Europa. Hat man in letzter Zeit öfter gehört, nicht? Die Empörung hat sich aber weitestgehend gelegt, schon seit längerem. Die Gewöhnung an schlechte Nachrichten erfolgt schnell, das Tagesgeschäft wartet nicht, also lässt man eine Sau nach der anderen durchs Dorf treiben, mal lachend, mal schäumend beobachtend, je nach dem, was angebrachter scheint, um allen anderen die richtige Haltung zu demonstrieren und sich selbst als auf der richtigen Seite der Geschichte stehend zu fühlen. Zugegeben habe ich keine besonders gute Meinung von meinem Heimatland. Da ist schon zuviel geschehen und geschieht immer noch, aktuell in einer Art und Weise, die seinesgleichen erst finden muss. Das soll aber nicht das Thema sein Unabhängig davon, was ich von diesem, meinem Vaterland halte, masse ich mir an, mit seiner Geschichte weitestgehend vertraut zu sein, vermutlich mehr als viele andere, die als Beweis bei jeder Gelegenheit ihr Bekenntnis auf die Fahne ablegen wollen. Ein wesentliches Missverständnis in der Geschichte der Schweiz, oder eher in der Selbstwahrnehmung ebenjener, ist zu glauben, die Schweiz, so wie es sie heute gibt, sei ein Ergebnis der Verschwörer von 1291. https://www.20min.ch/story/die-jugendlichen-haben-keine-ahnung-was-der-ruetlischwur-ist-657347256484 Natürlich braucht jede Nation ihre Mythen als Grundlage für die Identitätsbildung. Man muss sich ja auf etwas berufen können, will man sein mehr oder weniger aufrichtiges Handeln entsprechend legitimieren. Wer es aber etwas genauer mit der Schweizer Geschichte nähme, würde schnell feststellen, dass der Bundesstaat, die heutige Confoederatio Helvetica, auch im der heutigen geographischen Gestalt ein Ergebnis des Wiener Kongress ist. Besonders störend an dieser verbreiteten Missinterpretation der Geschichte ist, dass gerade die besten Eidgenossen, oder diejenigen, die sich gerne als solche gerieren, offensichtlich nicht wissen, dass die von ihnen vielzitierte Neutralität ein Ergebnis des frühen 19. Jahrhunderts ist und mitnichten eine des Bündnisses von 1291. Die vielen anderen Vorzüge, die uns der Epochenwechsel von 1815 und als zwangsläufige Entwicklung 1848 gebracht hat, lasse ich hier beiseite. Es kriecht ein ungutes Gefühl in mir hoch, wenn lese, dass die zweifelsohne bestehende Unkenntnis der Geschichte (allerdings nicht nur der schweizerischen) am fehlenden Bewusstsein des Mythos von 1291 festgemacht wird. Auch wenn der ‚War on terror‘ nahezu vollständig von Corona und Ukraine/Russland verdrängt worden ist, besteht kein Zweifel daran, dass die Verschwörer der 3 Urkantone heute als Terroristen angesehen werden würden. Darf man sich denn für die Gute Sache auf Terroristen berufen? Peter Ustinov meinte einst: Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen. Hielte man sich als Referenz an die Schillersche Erzählung von Wilhelm Tell, unabhängig von deren Wahrheitsgehalt, dürfte man gerechtfertigerweise schlussfolgern, dass der Terror jener Verschwörer gegen die totalitäre Knechtschaft fremder Mächte, die sich erdreisteten, noch das letzte Weizenkorn als Tribut von den Geknechteten einzufordern, völlig legitim gewesen sein muss. Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Es besteht also kein Zweifel daran, dass dieser Terror, oder eher diese Rebellion gegen die Obrigkeit erfolgreich gewesen war. Trotzdem muss man bekennen, dass auch danach die dunklen Wolken des Mittelalters, mit all seinen Plagen, über der Urschweiz liegen geblieben ist. Egal wie sehr heute in medievalen Festen diese Epoche fröhlich zelebriert wird, fröhlich dürften die wenigsten Menschen jener Zeit gewesen sein; denn ob nun Hunger, Pest oder Cholera, es gab mehr als genug, woran man kranken und auch sterben konnte, und dazu meist schon in jungen Jahren. Die Aufrichtigkeit geböte es also, mehr Geschichtsbewusstsein für die Epoche nach 1848 zu entwickeln; denn alles, was die Schweiz heute ist, egal wieviel davon während des neoliberalen Kahlschlags der letzten 40 Jahre bereits zerstört worden ist, wurde als Grundstein in jenem Jahr gelegt. Oder erwähnten die Schweizer Urväter in ihrem Rütlischwur so etwas wie AHV, Gesundheitsfürsorge oder die weitestgehende Sicherheit, täglich etwas zu essen auf dem Teller zu haben? Gedanken GeschichtePolitik
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