Der Duschkopf und anderer Wahnsinn Pascal, 24. Dezember 202324. Dezember 2023 Das Jahr geht dem Ende entgegen, und man weiss nicht recht, ob man rückblickend auf den ganzen Wahnsinn, der unter der Chiffre 2023 subsumiert ist, nun lautheraus lachen oder bitterlich weinen müsste. Ganz dem übrigen infernal hirnrissigen Niveau folgend streitet sich die Internetcommunity derzeit, ob man mit dem Gesicht zum Duschkopf gerichtet duschen sollte oder doch eher nicht. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte man auf solchen Schwachsinn geantwortet, dass diejenigen, die sich eine solchen Diskurs hingeben, offenbar keine essentielleren Probleme im Leben haben. Mir hingegen drängt sich aber mehr und mehr der Verdacht auf, dass es sich dabei um Ersatzhandlungen dreht, die nur dem Zwecke dienen, das Wesentliche, Drückende, Ohnmächtige, an dem es nun für wahr nicht mangelt, zu übertünchen, es zum Verschwinden zu bringen, in der naiven Hoffnung, alles regele sich am Schluss wie Magie von ganz alleine. Erstaunlich dabei ist, dass diese Rechnung für viele Menschen tatsächlich aufzugehen scheint. Was nicht sein darf und kann, wird einfach übergangen, so als ob es nicht existiere. Da ich mit I. selbst eine Person in unmittelbarer Nähe habe, die sich diesbezüglich als Studienobjekt anbietet, drängt sich mir die Schlussfolgerung auf, dass diese Taktik mysteriöserweise immer wieder aufzugehen scheint. Für sie zumindest, für mich hingegen weniger bis gar nicht. Vermutlich fehlt mir die geiste Verfassung, alles, was ich nicht wahrhaben will, mit der dafür notwendigen Gedankengewalt wegzudrängen, um damit die der Sache innewohnende Wahrhaftigkeit zu zerstören. Wie dies im realen Leben funktioniert, ist mir bis heute nicht schlüssig klar. Dennoch scheint es Menschen zu geben, die hinsichtlich des beharrlichen Leugens gewisser Lebensrealitäten, es final immer wieder zustande bringen, diese Realitäten zu eliminieren. Dies scheint eine Umgekehrung Descartes‘ Cogito ergo sum zu sein. Absolutes Bestreiten eines Faktums reicht im Zweifel offenbar, dieses Faktum zum Verschwinden zu bringen. Was auch immer der Mechanismus hinter dieser Technik ist, kann ich zweierlei konstatieren, nämlich, dass ich nicht über die Kenntnisse verfüge, diese auf mein Leben anzuwenden; und dass das Zusammenleben mit einem Menschen, der derart verfasst ist, mit der Zeit zu einer Qual wird. Am Ende herrscht nur Sprachlosigkeit, wenn einem das Gegenüber beharrlich die zu diskutierende Realität leugnet. Man beginnt an seinem Verstand zu zweifeln und sucht verzweifelt bei sich selbst den fehlenden Part, der einem entgangen zu sein scheint, nur um später in noch grösserer Not festzustellen, dass man nichts findet, was das Unbestreitbare in Zweifel ziehen würde. Kognitive Dissonanz und das Ertragen derselben scheint der Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens zu sein. Wie sonst liesse sich in diesen Tagen noch erklären, dass das Kranken an der Welt weiterhin im Versteckten, etwa in den Räumlichkeiten psychiatrischer Kliniken stattfindet, während die Mehrheitsgesellschaft sich gerade einmal mehr am Kult materieller Völlerei und geistiger Entleerung delektiert. Nur auf den ersten Blick scheint hier ein Widerspruch zu klaffen. In Wahrheit ist dies nichts weiter als der Horror vacui, der alle vor sich hertreibt wie der Teufel die arme Seele – die panische Angst vor der absoluten Leere, im Inneren wie im Äusseren. Die Weihnachtsgans und das neueste smarte Gerät unter dem Tannenbaum dienen als Spachtelmasse, um die löcherige Wand des eigenen Seins zuzupappen, obwohl bei genauem Hinsehen niemand bestreiten könnte, dass die ganze Hütte schon lichterloh in Brand steht. Mein eigener kleiner Trost und letzter Anker, der das Abdriften in die unumkehrbare Hoffnungslosigkeit verhindert, sind die Erkenntnisse von Arno Gruen, für mich zusammengefasst unter dem gleichnamigen Titel eines seiner Bücher – Der Wahnsinn der Realität. In Erinnerung an die Lektüre seiner Werke finde ich ein wenig inneren Frieden angesichts eines einfältigen Pseudo-Diskurses über Duschköpfe. Dies zeigt das wahre Ausmass an Kleingeistigkeit einer Welt, einer Menschheitsfamilie, die sich unter Zuhilfenahme eines Absurditätenkabinetts an Ersatzbefriedigungen nichts anderem verschrieben hat als dem konsequenten Leugnen der eigenen urmenschlichen Abgründe. Dies ist Arno Gruens Verrat am Selbst in epischer Dimension. Es bleibt uns die Hoffnung, dass irgendwann jeder einzelne gezwungen sein wird, sich seiner eigenen Entfremdung gewahr zu werden. Aus schmerzhafter Erfahrung weiss ich nur zu gut, dass dies ein spezifisch individueller Prozess ist, den man selber durchleben muss, unter Entbehrung, Trauer, Wut – und Hilflosigkeit – denn diese ist der eigentliche Schlüssel zum Verständnis des Lebens. Das Erkennen der eigenen Hilflosigkeit ist Endpunkt und Neuanfang zugleich. Für 2024 bleibt der Menschheitsfamilie nicht viel mehr zu wünschen, als recht bald ihre eigene Hilflosigkeit zu erkennen. Ich für meinen Teil erdulde in bemühter Demut einmal mehr meine eigene Hilflosigkeit und habe mich dazu in diesen Tagen der Festivitäten, zugegebenermassen nolens volens, unter Meinesgleichens, den Wahnsinnigen und Geisteskranken zurückgezogen. Möge die Hoffnung uns alle nicht verlassen! aus der KIS Basel, 24.12.2023 Der tägliche Wahnsinn Ganz persönlich Gedanken I.PsychosachenSinnkrise
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