Kapitalismus – bis zum bitteren Ende gedacht Pascal, 12. November 202312. November 2023 Dass in der heutigen Welt alles möglich ist, muss man schon fast als belanglose Floskel ansehen. Es zu erwähnen, erübrigt sich, zumindest für den aufmerksamen Beobachter des Geschehens. Nichts bleibt unentdeckt, wenn man ein wenig tiefer im trüben Morast zu stochern beginnt, wo die Qualitätsjournallie eher selten zu Werke ist. Wenn ich nun den Artikel der Junge Welt verlinke, sage ich damit allerdings nicht, dass ich bei ihr mehr Qualitätsjournalismus voraussetze als bei allen anderen. Mein Verhältnis zu Junge Welt ist seit der Corona-Episode schwer belastet. Aufgrund der auch dort praktizierten infamen medialen Hetzjagd gegen die Massnahmengegner und die aktive Fürsprache des staatlich verordneten Massnahmenregimes, habe ich in jenen Tagen mein Abo gekündigt und bin seither kein zahlender Leser mehr. Allerdings soll es hier nicht um die Corona-Zeit gehen. Dass Junge Welt zuweilen heisse Eisen anfasst, dafür sei ihr trotz allem hier ein Lob ausgesprochen. Die erste spontane Eingebung beim Lesen des Artikels zum Thema Leihmutterschaft war, dass ich vor vielen Jahren einen Oxford Dictionary käuflich erworben hatte, auf welchem ein Label prangte, man hätte neue Wörter ins Werk aufgenommen – dabei schriftlich erwähnt als Beispiel das Wort ’surrogate mother‘ – also ‚Leihmutter‘. Das dürfte in späten 2000er gewesen sein. So völlig neu ist die Thematik folglich nicht, wobei es dennoch für die meisten bis heute sehr wahrscheinlich eine abstrakte Begrifflichkeit geblieben ist. Dass es das Phänomen gibt, sollte dennoch eigentlich allen bekannt sein. Im erweiterten Themenkreis um Leitmutterschaft finden sich besser vertraute Begrifflichkeiten wie etwa ’social freezing‘, welche von Internetmonopolisten wie Alphabet (Google) oder Meta (Facebook) geprägt wurden. Wer dies zum ersten Mal liest, soll bitte im Web nachschlagen. Wie bei fast allen solchen neuzeitlichen Begriffen sind auch diese selbstenttarnend, tragen also abgesehen von der reinen Semantik eine Botschaft auf der Metaebene in die Welt, die bei genauer Betrachtung erst das volle Ausmass an orwellianischem Neusprech offenbart. Biologische Realitäten sind, wie etwa die Diversitätsdebatte ebenfalls ganz selbstenttarnend aufzeigt, keine determinierten Faktoren mehr. Der Mensch hat es geschafft, auch die Biologie nach seinen Bedürfnissen zurecht zu biegen. Das ‚Alles ist machbar‘-Mantra des Neoliberalismus hat sich lange an bis vor kurzem noch unumstösslichen Fakten abgearbeitet. Wobei ‚abgearbeitet‘ nicht die richtige Wortwahl ist. Das Problem, dass Menschen Kinder kriegen hat er in der Weise geregelt, dass er sich darum bemüht hat, diejenigen menschlichen Wesen, die gewöhnlich die Kinder kriegen, also die Frauen, möglichst nur soweit ins System einzubinden, dass sie, im Falle dass, nicht zur adminstrativen und finanziellen Bürde werden. Dass der Sozialstaat leidlich Leitplanken gegen diese Bestrebungen zu setzen versucht hat, kann man im Wesentlichen unberücksichtigt lassen. WIe so oft war es weitestgehend inhaltslose aber wohlklingende Rhetorik seitens der Linken und einigen Bürgerlichen, die sich nicht des Vorwurfs der Unmenschlichkeit ausgesetzt sehen und das Trugbild des Kapitalismus mit menschlichem Anlitz ein wenig alimentieren wollten. Bekanntlich bietet aber der Kapitalismus für jedes Problem eine adaptierte Lösung, siehe ‚Der Markt regelt das schon‘. So ist es nicht erstaunlich, dass er sich auch nicht weiter mit scheinbar unumstösslichen biologischen Fakten abfinden wollte und keinen Aufwand scheute, die Biologie seinem Dogma gefügig zu machen. Das ist zweifelsohne gelungen. Was machbar ist, wird auch gemacht, über den Preis, nicht nur den pekuniären wird, wenn überhaupt, erst später nachgedacht. Die menschliche Biologie kann man also nahezu beliebig den Bedürfnissen anpassen. Wenn die Biologie bisher noch sagte, dass die weibliche Fertilität zeitlich beschränkt ist, bietet sich nun die Lösung an, diese Fertilität auf dem weiblichen Körper zu extrahieren und für spätere Zeiten kryogen zu lagern. Alles machbar, keine Sache, social freezing: man plant in Zukunft Familie und Kind erst dann, wenn die eigene berufliche Verpflichtung dies auch zulässt. Dass damit aber noch nicht das Ende dieses Diskurs erreicht war, musste jedem halbwegs rational denkenden Menschen dennoch bewusst sein. Die Frage vieler Frauen lautet mittlerweilen: kann ich es mir überhaupt leisten, Kinder zu haben? Dabei ist die Frage des Könnens in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen keine biologische oder finanzielle, sondern eine temporale. Woher die Zeit für 9 Monate Schwangerschaft und damit 9 Monaten Unwägbarkeit hernehmen? Denn wie gesagt, ist an dieser Tatsache sozialpolitisch, etwas Kosmetik ausgenommen, nie Wesentliches zum Wohle des Menschen, der Frauen, der Ehepaare gemacht worden. Dazu hätte man sich zu sehr mit dem Kapital anlegen müssen, was kein Soze im Spannungsfeld zwischen den marktwirtschaftlichen Realitäten und den sozialen Bedürfnissen wirklich ernsthaft gewagt hätte. Deswegen muss man nun, angesichts der Tatsache, dass Menschen, im Konkreten hier Frauen, dazu solche aus sozial prekären Verhältnissen in Ländern mit noch weniger ausgeprägtem Wertekompass als der ach so hoch gelobte Wertewesten, zu Brutkästen für den Nachwuchs einer wohlhabender Klientel aus Europa und Nordamerika, zunächst nur nüchtern zur Kenntnis nehmen und die wohlfeile Moral am besten ganz schnell wieder wegpacken. Der Kapitalismus – bis zum Ende gedacht – konnte nie etwas anderes als solche Auswüchse hervorbringen. Punkt. Nachfrage bewirkt Angebot. Das ist zwar für sich genommen der keynesianische Ansatz der Marktwirtschaft und nicht derjenige, der aktuell dominanten marktradikalen Lehre, zeigt damit aber auch folglich das systemimmanente Problem des Akkumulationsprozess. Was machbar ist, wird gemacht, unabhängig von einer irgendwie gerarteten moralischen Bewertung. Wer mit Moral argumentiert, hat den Kapitalismus nicht verstanden. Sie sind schlicht folgerichtig, wenn wir dem Dogma, dass der Markt alles regele, folgen, dann hat auch ein menschlicher Brutkasten seinen fest definierten monetären Preis. Dies in Abrede stellen zu wollen, ist, solange keine grundsätzliche Bereitschaft besteht, dem Markt seine blindwütige Wirkmacht zu entziehen oder wenigstens wieder in klar definierte Bahnen zu lenken, nichts weiter als eine weitere, typisch abendländische Hybris. Auch wenn der Westen im wirtschaftlichen Abstieg begriffen ist, fragen bisher mehrlich westliche Paare derartige Angebote nach. Parallel dazu pflegt gerade der Westen diesen bigotten moralischen Rigor, mit welchem er die ganze Welt mit seinen Werten beglücken will, während er sich selbst von allen anderen auferlegten Regeln ausnimmt. In einer simpifizierten Weltsicht muss man das Phänomen Leihmutterschaft in völliger Nüchternheit betrachten: als, aufgrund entsprechender Nachfrage zwangsläufig am Markt erscheinendes Angebot, welches für eine bestimmte Summe käuflich zu erwerben ist. Nicht mehr, nicht weniger. Jede moralische Empörung darüber verbietet sich – solange keine fundamentale Bereitschaft da ist, dem Dogma ‚der Markt regelt alles‘ Einhalt zu gebieten. Alles andere ist schlicht Heuchelei. Der tägliche Wahnsinn Gedanken Politik Politik
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